Orchideen in Baden-Württemberg
Neottia nidus-avis (L.) Rich.
Vogel-Nestwurz
Synonyme: Neottidium nidus-avis
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Merkmale
Rhizomgeophyt mit kräftiger horizontaler Grundachse und zahlreichen nestartig verflochtenen Wurzeln ohne Wurzelhaare. Alle vegetativen Teile des Austriebs bräunlich ohne Blattgrün; die Bildung von Chlorophyll erfolgt nur in sehr geringem Umfang. Somit ist die Art auf ständige Nährstoffaufnahme von Mykorrhizapilzen an Waldbäumen angewiesen. Aus den Wurzelstöcken treiben im Herbst ein oder mehrere Sprossknospen, die unterirdisch überwintern. Im Frühjahr entwickeln sich aus ihnen die Blütentriebe. Der Stängel ist kräftig und wird 15 - 35 cm hoch mit 3 - 4 am Stängel verteilten kurzen Scheidenblättern; sie werden 3 – 6 cm lang. Der Blütenstand ist allseitswendig, 7 – 20 cm lang. Die untersten von 10 – 60 Blüten stehen locker, die oberen dicht. Die Blüten duften nach Honig. Die linealischen Tragblätter sind etwa halb so lang wie der gedrehte Fruchtknoten. Die Perigonblätter sind gelblich bis bräunlich und stehen helmartig zusammen. Die Sepalen sind eiförmig konkav, 4 – 6 mm lang und 2 – 3 mm breit. Die Petalen sind nur 0,5 – 2 mm breit. Die Lippe (10 – 13 × 10 – 13 mm) ist vorgestreckt, am Grund schüsselartig vertieft mit Nektarausscheidung. Die Lippe ist am vorderen Ende gespalten mit zwei runden Seitenlappen. Zwei ungestielte Pollinien, Fruchtkapseln 9 – 16 mm lang und 4 – 8 mm dick. Die Fruchtstände können mehrere Jahre sichtbar bleiben.
Vegetations- und Blühzeiten
Die Blütezeit beginnt Anfang Mai und kann je nach Höhenlage bis in den Juli reichen. Die Blüten sind anfangs allogam; wenn die Pollinien bröseln, fallen sie auf die Narbe und befruchten sie. Deswegen ist der Fruchtansatz bis auf die obersten Blüten hoch.
Variabilität
Variabel sind die Blütengröße und auch die Lippenform. Selten variiert auch die Blütenfärbung; es gibt zuweilen gelbe oder auch weiße Blüten.
Hybriden
Hybriden sind nicht bekannt.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Die Art ist in Europa nicht verwechselbar.
Wuchsorte
Die Art kommt in feuchten und schattigen Wäldern verschiedener Baumarten vor. Sie ist streng an das Vorkommen von Mykorrhiza gebunden und bevorzugt basenreiche humose Böden.
Verbreitung
Neottia nidus-avis kommt in der temperaten Zone Europas bis Zentral-Sibirien vor und erreicht die boreale Stufe, auch den Iran sowie vereinzelt Nordafrika. In Deutschland ist sie bis auf die Urgesteins- und Sandsteinregionen sowie das Norddeutsche Tiefland (dort nur inselartige Vorkommen) weit verbreitet. In Baden-Württemberg kommt sie fast flächendeckend vor bis auf die Urgesteinsregionen im Schwarzwald.
Gefährdung
Die Art ist in weiten Teilen Deutschlands ungefährdet, soweit die Bodenverhältnisse dies zulassen. Neottia nidus-avis ist allerdings auch auf hinreichend Niederschlag in der Vegetationsperiode sowie auf eine schonende Waldwirtschaft angewiesen.
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H. (2005): Neottia nidus-avis (L.) Rich.- In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg): Die Orchideen Deutschlands: 511 – 515.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten:- Stuttgart.
Text: Dietrich Bergfeld
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